Um das Jahr 1900
befanden sich die Moselaner, somit also
auch die Neefer Bürger, in einer sehr
schlechten Zeit. Das Fuder Wein kostete
höchstens 400 Reichsmark was der Staat
so vorgeschrieben hatte. Und selbst zu
diesem Preis hatte man Mühe, es
überhaupt verkaufen zu können.
Besonders das Jahr 1902 brachte für die
Mosel-Winzer eine geringe Ernte mit
schlechter Qualität. Es gab Weinbauern,
die in diesem Jahr nicht viel mehr als
ein Fuder Wein ernteten. Und fand man
eine Arbeit, dann betrug der Lohn am Tag
2 Reichsmark. Die Arbeitgeber
beschäftigten zudem ihre Arbeiter mit
Vorliebe in den Sommermonaten, wenn die
Tage lange hell waren. So wurde für den
Tageslohnsatz mehr Arbeiten erledigt.
Ankern eines Weinladeschiffes
Sehr schmerzhaft konnte
der Verlust eines Fuder Weines sein, wenn
es kippte, was allerorts an
der Mosel schon mal vorkam. Die
Weintechnik war längst nicht auf dem
heutigen Stand. Hauptsächlich die
Essigfliege verursachte großen Schaden.
Diese Gärmücke wird vom
gärenden Wein angelockt und legt ihre
Eier mit Vorliebe in den Ansatz des
Spundloches eines Weinfasses. Dringen die
Eier in das Fass ein, kippt
der Wein. Er wird unbrauchbar und wertlos.
Carl Kaufmann erfand nun die Möglichkeit,
aus gekipptem Wein Essig
herzustellen. Dies ließ er sich
patentieren und fing mit der Produktion
an. Er erwarb solchen verdorbenen Wein
überall an der Mosel und zahlte 200
Reichsmark je Fuder also die
Hälfte vom regulären Preis.
Außer Hause wurde der
Weinessig nur fassweise verkauft. Also
beschäftigte Kaufmann einen eigenen
Küfermeister, der aus Eichenholz Fässer
in kleineren Größen anfertigte. In der
Regel waren es 100-Liter-Fässer. Die bei
der Fassherstellung verbleibenden Späne
fanden bei der Erzeugung des Essigs
Verwendung. Sie wurden in einem Sud
eingelegt. Später, wenn der Sud gereift
war, wurde dieser gesiebt und dem
Weinessig, der über eine Essigmutter
hergestellt wurde, zugefügt. Wenn nun
der Weinessig noch eine Zeit lang lagerte,
bekam er einen besonders gefälligen
Geschmack, den man bisher so noch nicht
kannte. Besonders Hausfrauen schätzten
den Weinessig von Kaufmann bei der
Zubereitung von Salaten und Soßen.
Ein Flaschenetikett der Firma Carl
Kaufmann
Der Umsatz des Essigs aus
Neef stieg so spontan, dass schon bald
zwei Handelsvertreter mit Proben durch
die Lande reisten und reichliche
Aufträge erhielten. Die Lieferungen
erfolgten zuerst per Kutsche und Schiff.
Die Firma Kaufmann hatte in Neef eigens
eine Schiffsanlegestelle. Später wurde
per Lastwagen und Bahn geliefert.
Zeitweise beschäftigte die Neefer
Essigfabrik bis zu 30 Leute. Wobei Carl
Kaufmann auch noch ein großes
Weingeschäft und eine Schnapsbrennerei
betrieb.
Nachfolger von Kaufmann
war sein Schwiegersohn Gerhard Derichs,
der die Fabrik nach der völligen
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder
aufbaute und unter dem alten Namen bis
Anfang der 60er Jahre weiter betrieb.
Für das Weingeschäft
bewirtschaftete die Firma Carl Kaufmann
im Distrikt Furt einen ganzen
Berghang als Wingert, der sich Rutschkopf
nannte, weil diese Lage sehr steil und
rutschig ist. Wenn nun die
gegenüberliegenden St. Aldegunder
Einwohner beobachteten, wie die Neefer
Wingertsleut immer wieder ausrutschten
und hinfielen, war das für sie amüsant
und nannten die Neefer fortan Neefer
Furderetscher (die Neefer
rutschten in der Weinbergslage Furt
aus) ein Spitzname, der sich
eingeprägt hat und bis heute Geltung hat.
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De Nääfer
Furderetscher |
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Vermutlich wurde
im Jahre 1897 feierlich das erste
mit Essig gefüllte Fass zum
Versand gebracht. |
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Literaturnachweise: |
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Aussagen von den
Neefer Bürgern Karl Zimmer und
Otto Lux
Eigenwissen des Autoren |
Bildnachweise: |
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Foto der
Essigfabrik und des Wohnhauses -
Derichs, Waltraud, Neef
Foto des Weinladeschiffes - Kurt
Bergen, Neef - "Weinort Neef
in Wort und Bild"
Foto Essigfass - Kurt Bergen,
Neef - "Weinort Neef in Wort
und Bild"
Zeichnung Nääfer Furderetscher
- Kroth, Markus, Neef
Flaschenetikett Carl Kaufmann,
Neef - Kurt Bergen, Neef |
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