Mehr als 500
Jahre hatte Neef der Domkirche St. Arnulf
in Metz Weinabgaben zu leisten. Wein war
für den Klerus einmal zum Zelebrieren
der Messe unabkömmlich - wurde aber auch
ansonsten im Alltag und zu mancherlei
Feierlichkeiten recht gerne kredenzt und
dementsprechend geschätzt. Nun lagen
die in Neef gesammelten Weine vom Keller
in Metz weit entfernt. Der Transport von
Weinfässern auf Karren war nichts
anderes als Mühe und Gefahr. Die
Straßen waren holprig und überall
lauerten Wegelagerer, Räuberbanden und
Strauchdiebe auf beladene Fuhrwerke.
Wesentlich sicherer war der Transport per
Schiff auf der Mosel.
Es hatte sich schon lange der Beruf
der Halfen gebildet. Halfen waren starke,
grob besaitete Kerle mit eigener Tracht
und großen Schlapphüten, die sie immer
auf einem Ohr sitzen hatten. Mit einem
Pferdegespann zogen sie vom Leinenpfad,
auch Rittweg oder Treidelpfad genannt,
beladene Schiffe flussaufwärts. Dabei
mussten der Schiffer und der Halfe eine
gut abgestimmte Gemeinschaft bilden.
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Ein
von einem berittenen Halfen
gezogenes Schiff |
Und unterhalb von Neef, im kleinen Ort
Leimen, (zwischen Ediger und Nehren) gab
es die Halfenwirtschaft Leimenhof. Dort
wurden die Kontrakte zum Weintransport
geschlossen. Hier waren die Halfen
stationiert. War sich also der Verwalter
des Metzer Weingutes in Neef, der Vogt,
mit dem Schiffer und dem Halfen einig,
ward der Ablauf für die ganze Reise
abgesprochen. Hierzu gehörte die
Aufteilung des baren Geldes und die
Übernahme der Zehrung auf der gesamten
Reise. Für die freie Rückkehr des
Halfen in die Heimat hatte der Schiffer
zu sorgen, der auch die Kosten für die
Unterhaltung der Pferde zu tragen hatte.
Als Besiegelung des gegenseitig
verbindlichen Einverständnisses gab der
Schiffer nach erfolgtem Handschlag den
Winkoff (Wein darauf). Den Wein trank man
aus einem großen Glas oder Holzbecher.
Dazu aß man nicht zu knapp Brot mit
Butter und Käse. Es ging dabei oft so
laut zu, dass man glauben konnte, es
herrschte der größte Streit.
Anderentags wurden dann auf der
anderen Moselseite im Pferdestall (noch
heutige Flurbezeichnung) die Pferde
gezäumt, das Schiff angeseilt und ab
ging der Ritt die Mosel hinauf. Recht
heimtückisch zeigte sich schon bald,
vorgelagert einer scharfen Flusskurve,
eine Sandbank, Stupa (heute Stuben)
genannt. Hier war größte Vorsicht
angesagt, sonst lief das Schiff auf.
Oberhalb der Sandbank lauerten dicht
unter der Wasserfläche schroffe
Felsklippen, welche die Schiffböden
aufschlitzen konnten. An solchen
bedrohlichen Stellen erbat man beim hl.
Nikolaus um Beistand, weshalb auch auf
Stupa eine Nikolaus-Kapelle stand, um
dort ein eiliges Stoßgebet verrichten zu
können.
Hatten in Neef die Schröter alle zum
Transport anstehenden Weinfässer auf das
Schiff geschrotet (mit einem speziellen
Schlitten geschleift), ließ der Schiffer
"In Gottes Namen" erschallen,
worauf der Halfe mit einem
durchdringenden Peitschenknall
antwortete, um zu bestätigen, dass auch
er bereit ist. Nun flogen die Hüte von
den Köpfen in die Luft. Dann sprachen
die rauen Männer ein kurzes Gebet für
das gute Gelingen des anstehenden
Unternehmens.
Beim Schleppen wurde das am Schiff
befestigte Seil durch einen
kunstgerechten Knoten, der schwierig zu
lösen war und den Namen Halfenknoten
hatte, am Sielscheid (breiter Riemen um
die Brust der Pferdes) befestigt. An
diesem waren dann in der Regel zwei, bei
einen größeren Transport auch drei
Pferde, die hintereinander gingen,
angespannt. Der Halfe saß quer auf dem
mittleren Pferd. Beine und Gesicht hatte
er nach rückwärts gekehrt. So hatte er
immer das Schiff im Blick und erkannte
gleich eine Gefahrenstelle in dem Fluss.
Die linke Hand hatte er stets griffbereit
für den Bummes (Weinkrug) und für seine
Heeb (kleines Beil). Die Heeb war ein
ganz wichtiges Werkzeug. Waren die Pferde
einmal übermüde oder geriet das Schiff
in eine starke Strömung, so konnte es
leicht vorkommen, dass sie rückwärts
gezogen wurden. In dieser gefährlichen
Situation hieb der Halfe mit der Heeb das
Seil durch. Zum Wetterschutz führte er,
außer vielleicht einem Wettermantel,
nicht viel mit. Im grellen Sonnenstrahl
trocknete er fast aus. Dann war aber auch
immer schnell sein Bummes leer. Im Winter
dagegen fror er wie ein Schneider, und
dann war der Bummes nicht selten mit
Schnaps gefüllt. In der rechten Hand
hielt der Halfe die Geischel (Peitsche).
Diese hatte einen kurzen Leifer (Stiel),
einen geflochtenen Riemen, an dem ein
selbst gedrehtes, mit vielen Knoten
versehenes Hanfseil befestigt war. Mit
der Peitsche trieb er die Pferde an,
schlug sie aber selten, sondern fuchtelte
vor sich hin und her und knallte so feste
damit, dass Berg und Tal widerhallten.
Oft kam es vor, dass beim Wechseln der
Leinpfade das Wasser durchquert werden
musste oder auch der Leinpfad unter
Wasser stand, so dass die Pferde
schwimmen mussten. Der Halfe blieb dabei
ruhig sitzen, unbekümmert darum, ob er
vollständig durchnässt wurde. Sollten
die Pferde besser anziehen, so rief der
Schiffer vom Schiff aus: "Leit
rackt!" - sollte gehalten werden,
ertönte der Ruf: "Holon!"
Die erste Übernachtung fand
vielleicht schon in der Halfenwirtschaft
in Reil statt. Nach Einstellung und
Fütterung der Pferde reihten sich
Halfen, Schiffer und auch andere
Berufskollegen um die schweren
Eichentische und tranken "immer noch
eins!"- wie sie dem Wirt zuriefen.
Dabei saßen sie fast liegend an den
Tischen, die Ellenbogen aufgestützt, den
breitkrempigen Hut auf dem ungekämmten
Haar und tranken den Humpen nicht selten
mit einem Zuge aus. Das Essen kochte die
Schiffersfrau auf dem Schiff. Sie trug es
in sogenannten Marmitten (blechernen
Doppelgefäße mit Handgriff) zum
Wirtshaus, wo es mit großem Appetit
verzehrt und mit einem zusätzlichen Maß
Wein (2 Liter) begossen wurde. Schwer
beladen, schwankend und trunken, ging man
zu Bett. Die Halfenwirtschaften machten
stets gute Geschäfte, und wegen der
großen Zeche war das Nachtquartier für
die rauen Kerle durchweg frei.
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In
den Halfenwirtschaften, wo
Schiffer und Halfen Essen
einnahmen, tranken und
übernachteten, war immer was los
und herrschte Spektakel. Man traf
sich mit Berufskollegen und
anderen Zechkumpanen aus dem Ort. |
Noch stark benommen von der Zeche am
Vorabend, standen Schiffer und Halfe in
aller Frühe auf, und während des
Anziehens wurde jedem ein großer Schnaps
gereicht. Dann folgte nach der Fütterung
der Pferde ein üppiges Frühstück, und
man trank dazu 1/2 Maß Wein. Nach Tisch
wurde die Weiterreise angetreten, gegen
10 Uhr kurze Rast gemacht und wieder 1/2
Maß Wein auf den Mann getrunken.
Entlang der Mosel stand den Halfen
nach jedem Tagesritt in geregelten
Abständen eine Station wie in Leimen und
in Reil zur Verfügung. Stets spielte
sich das gleiche Szenarium ab.
Schließlich in Metz angekommen, gab
man dem dortigen Halfenwirt schon vom
Pferde aus durch knallende Peitschenhiebe
bekannt, wie viel Wein er parat zu
stellen hatte. Besonders dann, wenn die
Reise ohne Unfall verlief, gab es ein
ganz großes Zechgelage, wobei der Halfe
auf Kosten des Schiffers nach Belieben
trinken konnte.
Noch in einem berauschten Zustand
wurde die Heimreise angetreten. War es
für den Schiffer leicht, mit seinem
Schiff flussabwärts in wenigen Tagen
wieder in Leimen zu sein, so benötigte
der Halfe doch einige Zeit mehr für
diese Strecke. Sein Rosse waren mehr
stark als schnell.
Letztendlich saß man im Leimenhof in
alter Manier wieder zusammen und wartete
auf den nächsten Auftrag.
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Toreingang
zum Leimenhof |
Außer dem Trinken bzw. Saufen
verstand der Halfe noch ein zweites
äußerst gut - das Fluchen. Unter Bezug
auf diese Eigenschaft hat sich die
sprichwörtliche Redensart gebildet:
"Der flucht wie ein Halfe!" -
aber auch: "Der säuft wie ein
Halfe".
Bei den Damen müssen die Halfen hoch
im Kurs gestanden haben. So wird
überliefert, dass ein Fräulein Tochter
aus einem vornehmen Haus in eine
gute Partie verheiratet
werden sollte. Sie protestierte heftig:
En handfeste Halfe will ich hann
...
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erschienen
in: |
Rhein-Hunsrück-Kalender,
Heimatjahrbuch des
Rhein-Hunsrück-Kreises, 1998 |
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Ein
von einem berittenen Halfen
gezogenes Schiff nach Matthäus
Merian aus dem Jahre 1623 |
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